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Auf der Suche nach den Virus-Varianten

Im medizinischen Labor interessiert uns bei der Corona-Diagnostik vor allem die Frage, ob beim Getestete SARS-CoV-2 Viren im Abstrich nachgewiesen wurden oder nicht. Diese Aussage "positiv oder negativ"  hat Konsequenzen für Maßnahmen wie Quarantäne bzw. Isolation. Mit welcher Virusvariante der Getestete infiziert wurde, spielt dabei keine Rolle.

Dennoch möchten Gesundeitsämter und das RKI in bestimmten Phasen der Pandemie wissen, welche Virusvariante derzeit verbreitet sind und wie sich insbesondere als VOC ("variants of concern") eingestufte Typen regional entwickeln. Zu diesem Zwecke haben wir bei uns zwei Methoden etabliert:


Die Vollgenom-Sequenzierung

Hierbei wird das komplette Virusgenom aus einer Patientenprobe sequenziert, das heißt, die genaue Abfolge der rund 30.000 RNA-Bausteine bestimmt. "Sequencing by synthesis" heißt die dabei eingesetzte Technik. Die Probenvorbereitung ist aufwändiger als diejenige für die PCR, das Ergebnis dafür aber genauer.

Seit Januar 2021 setzen wir im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums die Corona-Surveillanceverordnung um und sequenzieren stichprobenhaft und bundesweit SARS-CoV-2-Genome aus positiven Patientenproben für das RKI. Bis Mitte 2022 waren dies gut 130.000 hochgeladene Sequenzen.

 

Die Varianten-spezifische PCR

Schneller als nach der Vollgenom-Sequenzierung liegen Ergebnisse aus der Varianten-spezifischen PCR vor. Denn dabei werden aus den häufig zahlreichen Mutationen einer besorgniserregenden Variante (VOC) einige wenige ausgewählt und als Ziel für die spezifische Vervielfältigung bei der PCR verwendet.

Diese Methode wird immer dann eingesetzt, wenn Auftraggeber einen raschen Überblick über die Verbreitung bestimmter Virusvarianten gewinnen möchten. So geschehen zu Beginn 2021, als zunächst die Alpha- und wenige Monate später die Delta-Variante zum dominierenden Virustyp in Deutschland wurde.

 

Omikron - die jüngste VOC

(https://www.bioscientia.de/home/aktuelles/2021/11/untersuchung-auf-omikron-variante-nur-in-ausnahmefaellen/)

Fragen und Antworten

Im ersten Schritt der PCR-Untersuchung wird der Tupfer mit dem Abstrichmaterial in eine Puffer-Flüssigkeit gegeben, aus der die Schleimhaut-Zellen plus Viren (falls vorhanden) ausgewaschen werden. Aus dieser Lösung mit inaktivierten Viren entnehmen wir auch die Probe für unsere Sequenzierung, falls die Probe ein positives Testergebnis mit einem Ct-Wert zwischen 18 und 22 hat und als eine der 5% zu untersuchenden Proben herausgesucht wird.

Grundsätzlich werden die Proben so herausgesucht, dass  eine möglichst breite Abdeckung des Bundesgebietes dabei entsteht. Es geht bei dieser Maßnahme darum, einen epidemiologischen Überblick zu erhalten (Surveillance). Die Vorgaben zur Stichprobennahme wurden vom RKI in einer Handlungsanleitung spezifiziert.

Sofern von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde schriftlich angeordnet, können uns auch Proben zur Sequenzierung im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen zugewiesen werden.

Für Labore, die zwar die PCR selbst durchführen, aber keine Sequenzierungen, sind diese Infos wichtig:

  • Die Sequenzierung ist nur möglich, wenn ein positiver SARS-CoV-2-PCR-Test vorliegt und ein Ct-Wert ≤ 25 (optimalerweise 18-22) bestimmt wurde.
  • Senden Sie bitte eine inaktivierte Probe (z. B. durch 1:1 Verdünnung mit 6- bis 7-molarer Guanidin-HCl-Lösung), keine Eluate, keine RNA-Isolate.

  • Wir benötigen mindestens 500µl Probenvolumen.

Folgende Angaben sind essentiell: 

  • der gemessene Ct-Wert,
  • die verwendete PCR-Methode (ROCHE, ThermoFisher, TIBMolBiol, etc.), 
  • die DEMIS-Nr. Ihres Labors, das die PCR durchgeführt hat, 
  • Abstrichdatum und vollständige Patientendaten (Name, Vorname, Geb.-Datum, Adresse).

Wir sequenzieren die Virus-RNA, nachdem sie in eine entsprechende DNA umgeschrieben wurde („reverse Transkription“), genau wie beim PCR-Nachweis. Dieses virale Nukleinsäure-Molekül wird nun in mehreren Schritten aufbereitet für eine automatische Sequenzierung nach dem „sequencing by synthesis“ genannten Verfahren. Am Ende liegt die Information über die genaue Abfolge der Basenpaare in jeder einzelnen Patientenprobe vor und kann mit der Referenz-Sequenz aus Datenbanken abgeglichen werden. Es sind somit nicht nur die britische und südafrikanische Variante erkennbar, sondern sämtliche Mutationen, die bedeutsam sind oder vielleicht noch bedeutsam werden.

Nach der Sequenzierung werden die Daten bioinformatisch ausgewertet. Dazu gehört auch, dass die in Patientenproben gefundenen Sequenzen der Virus-RNA abgeglichen werden mit einer entsprechenden Datenbank. Dort ist als „Wildtyp“ die im Januar 2020 sequenzierte Variante des SARS-CoV-2 hinterlegt, alle bislang gefundenen Mutanten sind charakterisiert. Wir erkennen die britische (B.1.1.7.) und südafrikanische Mutation (501Y.V2) und alle weiteren, die künftig charakterisiert werden.

Wir verwenden die NGS-Technologie („Next Generation Sequencing“). Der Prozess auf der Sequenzierplattform dauert knapp 30 Stunden. Danach folgen Auswertung und Datenübermittlung durch die Bioinformatiker mit rund 2 Stunden für alle Ergebnisse aus dem jeweiligen Lauf. Am längsten dauert es, die geeigneten und ausgewählten Proben für den Vollautomaten vorzubereiten.  Vorerst gehen wir von einer Kapazität von  gut 1.500 Ergebnisse pro Woche aus, die dann an das RKI berichtet werden. Durch die Einbeziehung eines anderen, noch leistungsfähigeren Sequenzers, lässt sich das Probenvolumen aber auch kurzfristig noch deutlich steigern. Wir bereiten uns hierauf bereits vor, so dass auch eine weitere Erhöhung der wöchentlichen Probenmenge ohne Verzögerung möglich wird.

Anhand der Sequenzierung allein ist die klinische Bedeutung einer Mutation nicht zu erkennen. Hierfür braucht es entsprechende klinische Daten. Die molekulargenetische Surveillance des RKI soll darstellen, welche Virusmutationen wie häufig in welchen Regionen verbreitet sind.