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Kurz gesagt:

  • Das Anti-Müller-Hormon ist ein zuverlässiger Marker für die Eizellenreserve.
  • Anhand des AMH-Wertes kann abgeschätzt werden, wie viele befruchtungsfähige Eizellen in den Eierstöcken (Ovarien) noch vorhanden sind.
  • In Kombination mit anderen Faktoren lässt sich mit dem AMH-Wert einschätzen, wie hoch die Chancen für eine Frau sind, schwanger zu werden.

Was ist das Anti-Müller-Hormon?

Das Anti-Müller-Hormon (AMH) spielt während der Embryonalentwicklung eine Rolle bei der Geschlechtsdifferenzierung. Unter dem Einfluss des in den Sertoli-Zellen gebildeten AMH werden beim männlichen Feten die Müller'schen Gänge zurückgebildet. Dies führt zur normalen Entwicklung der männlichen Geschlechtsteile. Fehlt AMH, bilden sich die Müller'´schen Gänge zu den inneren weiblichen Geschlechtsorganen.

Der weibliche Körper legt bereits sämtliche Eizellen vor der Geburt an. Insgesamt besitzt eine Frau beim Erreichen der Pubertät etwa 500.000 Follikel oder unreife Eizellen , von denen im Laufe der fruchtbaren Jahre zirka 400-500 zum Eisprung gelangen. Jeden Monat reifen aus Follikeln 15 bis 20 reife Eizellen heran. Das Anti-Müller-Hormon (AMH) wird mit Beginn der weiblichen Pubertät in den Eierstöcken gebildet. Seine Aufgabe besteht darin, der jeweils größten und am besten entwickelten Eizelle zum „Sprung“ in den Eileiter zu verhelfen. Die übrigen Eizellen werden vom Körper abgebaut.



Was sagt das Anti-Müller-Hormon aus?

Mit AMH lassen sich die Eierstockreserve und der Erfolg einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) abschätzen sowie eine hormonelle Stimulationstherapie individuell dosieren.

Biologisch betrachtet ist eine Frau mit zirka Mitte 20 am fruchtbarsten. In den 1970er-Jahren war das auch das Durchschnittsalter, in dem Frauen in Deutschland ihr erstes Kind bekamen. Heute haben junge Mütter meist schon die Grenze von 30 überschritten. Der Anti-Müller-Hormonspiegel sinkt natürlicherweise mit zunehmendem Alter. Anfang vierzig gelingt es nur noch etwa vier von zehn Frauen, schwanger zu werden. Das Alter, in dem es für immer zu spät ist, ist individuell sehr unterschiedlich.

Wer seine Fruchtbarkeit im Blick haben möchte, dem hilft es, den Wert immer wieder zu prüfen. Auch wenn der Kinderwunsch noch nicht akut ist, lohnt es sich die persönliche Eizellenreserve zu kennen, um bewusster planen zu können.

Die Untersuchung ist insbesondere vor einer Kinderwunschbehandlung wichtig, da die Hormone, die den Eisprung anregen sollen, unter anderem an die Höhe des AMH-Spiegels angepasst werden.

Ist das Anti-Müller-Hormon zu niedrig (< 1,0 ng/ml), sind bei der IVF höhere Hormondosen (FSH, Gonadotropin) nötig, um ausreichend Eizellen zu erhalten. Auch eine mögliche ovarielle Überreaktion nach Stimulation ist mit Hilfe des AMH-Werts einigermaßen gut vermeidbar.

AMH-Wert Tabelle bei Frauen

Fruchtbare (fertile) Phase 1,3 –11,0 µg/l
Eingeschränkte Fruchtbarkeit (Fertilität) < 1,3 µg/l
Unfruchtbarkeit (Infertile Phase) < 0,025 µg/l

 

AMH ist mehr als ein zuverlässiger Marker bei Kinderwunsch

Klinische Anwendungen von AMH:

Für wen? Für was?
Frauen im reproduktiven Alter Abschätzung der Eierstockreserve
  Prognosefaktor für IVF
  Abschätzung der Stimulierbarkeit der Eierstöcke und Anpassung der hormonellen Stimulation
  Perimenopause
  Prämatures Ovarversagen (POF)
  Granulosazelltumor-Verlaufskontrolle, Erfassung der Ovartoxizität bei Chemotheraphie
 

Einschätzung der ovariellen Reaktion bei Adipositas und PCOS

  Erfassung von Patientinnen mit einem erhöhten Risiko für ein Ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS)
Männer

Untersuchung der Gonadenfunktion, zur Differenzialdiagnose von Intersexualität und Kryptorchismus /Anorchismus

Vorhandensein von Hoden bei kryptorchen Jungen nachweisen

Kinder- und Jugendliche

vorzeitige Pubertät (Pubertas praecox: AMD erniedrigt) oder verzögerte Pubertät (Pubertas tarda: AMD erhöht)

Frauen

Gonadenfunktion bei präpubertären Kindern (Kryptorchismus, Geschlechtsdifferenzierung, Einsetzen der Pubertät u. a.)



Was bedeutet ein zu niedriger AMH-Wert?

Niedrige Werte sprechen für eine eingeschränkte ovarielle Funktionsreserve und ein schlechteres Ansprechen auf eine ovarielle Stimulation.

Aber: der AMH-Wert schwankt von Zyklus zu Zyklus um bis zu 20 Prozent. Eine einzelne Messung kann daher ungenau sein. Ein auffälliger Messwert sollte deshalb kontrolliert werden, idealerweise zu Beginn des Zyklus. Bei hormoneller Empfängnisverhütung (Kontrazeption) kann der AMH-Wert niedriger sein. Der Wert normalisiert sich zwei Monate nachdem das Verhütungsmittel abgesetzt wurde. Eine Unterversorgung mit Vitamin D kann zu einem niedrigeren Anti-Müller-Hormonspiegel führen - ein guter Anlass den Vitamin D-Status bestimmen zu lassen. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ein erhöhter BMI das AMH negativ beeinflusst.



Was tun bei einem zu niedrigen AMH-Wert?

Ein einmalig niedriger AMH-Wert sollte zu Zyklusbeginn kontrolliert werden. Bei einer Kinderwunsch-Behandlung richtet sich die hormonelle Stimulation nach dem AMH-Wert.

  • Bei einem Wert von < 1,3 µg/l zeigen altersunabhängig über 80 Prozent der Frauen eine eingeschränkte ovarielle Funktionsreserve (Eierstockreserve), und es zeigt sich bei 90 Prozent eine ungenügende ovarielle Antwort auf eine Stimulation. Daher benötigen Patientinnen mit niedrigen AMH-Werten bei einer Stimulation deutlich höhere Dosen von rFSH als Frauen mit normalen oder hohen Spiegeln.
  • Bei AMH-Werten < 0,025 µg/l befindet sich die Patientin bereits in der infertilen Phase.
  • Bei AMH-Werten von < 0,13 µg/l ist eine IVF-Behandlung nicht mehr sinnvoll.
  • Bei AMH-Werten von < 0,7 µg/l können bei einer Stimulation mit einer angepassten erhöhten rFSH-Dosis in der Regel maximal 2 Eizellen gewonnen werden.



Was sagt ein zu hoher AMH-Wert aus?

Ein hoher Anti-Müller-Hormonspiegel bedeutet, dass diese Frau mehr Eizellen hat, als für ihr Alter erwartet wird. Während ein hoher AMH-Wert bei Kinderwunsch (zum Beispiel für eine Eizellentnahme) positiv erscheint, kann das Ergebnis auch einen negativen Hintergrund haben und auf PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom) hinweisen.

Auch die AMH-Konzentration in anovulatorischen Zyklen (Menstruationszyklen ohne Eisprung) ist stark erhöht. AMH unterdrückt in den Ovarien das Follikelwachstum.

Bei Patientinnen, die im Rahmen einer Stimulationsbehandlung ein ovarielles Überstimulations-Syndrom (OHSS) entwickelten, fand man sechsfach erhöhte Spiegel im Vergleich zu normalen Kontrollen. Vor jeder IVF/ICSI Behandlung sollte daher die AMH-Konzentration bestimmt werden. Die Bestimmung ermöglicht eine Individualisierung der Therapie.



Wie wird das Anti-Müller-Hormon im Labor gemessen?

Das Anti-Müller-Hormon wird im Labor automatisiert und standardisiert mit einem immunologischen Testverfahren aus einer Serumprobe bestimmt.

Die sogenannte ovarielle Reserve - also die Anzahl der reifungsfähigen Follikel in den Eierstöcken – ergibt sich aus einer kombinierten Ultraschall- und Blutuntersuchung:

  • In der gynäkologischen Praxis wir per Ultraschall die Gebärmutter untersucht und in beiden Eierstöcken werden die Follikel (Eibläschen) gezählt.
  • Im Labor werden zwei Hormone aus einer Blutprobe bestimmt: das AMH (Anti-Müller-Hormon) und das FSH (Follikel Stimulierendes Hormon). Beide stehen in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Menge an Eianlagen.

Die ermittelten Laborwerte werden unter Berücksichtigung des Alters und weiteren individuellen Faktoren, wie etwa dem Lebensstil, individuell interpretiert. Trotzdem kann man sagen: Je niedriger der AMH-Wert und damit je kleiner die Eierstockreserve einer Frau ist, desto schwieriger wird es möglicherweise für sie, schwanger zu werden.

Eine aussagekräftige Labordiagnostik ist der Grundstein für eine erfolgreiche Behandlung und Therapie. Für viele Untersuchungen reicht schon eine Blutprobe aus.

Für die Praxis

Das Glykoprotein AMH ist ein Marker für die Abschätzung
der Ovar-Reserve, der Stimulierbarkeit der Eierstöcke und
ein Prognosefaktor für IVF.

AMH wird nur von den potenziell reifungsfähigen Primärfollikeln
und den Sekundärfollikeln gebildet. Daher besteht eine
sehr gute Korrelation zwischen dem Serum-AMH-Spiegel und
der Anzahl der potenziell reifungsfähigen Follikel und damit der Funktionsreserve des Ovars.

Bei Frauen über 30 und besonders über 35 Jahre
kann AMH als Screening-Test zum Abschätzen des Fertilitätsstatus eingesetzt werden.

Autor Thmb Lauraranzenberger

Laura Ranzenberger | Dieser Beitrag ist fachärztlich geprüft

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Aktualisiert Mittwoch, 16 Oktober 2024