Behandlungsfall, Arztfall, Krankheitsfall, Betriebsstättenfall und Arztgruppenfall
Den Behandlungsfall gibt es in EBM und GOÄ. Arztfall, Krankheitsfall, Betriebsstättenfall und Arztgruppenfall existieren nur im EBM. Diese Differenzierung ist immer dann relevant, wenn Ärzte kooperieren. Primär betrifft das Ärzte in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Sie spielen aber auch in speziellen Kooperationsformen wie der ambulanten spezialärztlichen Versorgung (ASV) eine Rolle.
Zur Mengenbegrenzung bestehen unterschiedliche Regelungen dazu, wie häufig einzelne Ziffern abgerechnet werden dürfen. Typische Beschränkungen sind „einmal im Behandlungsfall“ bzw. „einmal im Arztfall“ oder "einmal im Krankheitsfall". In der GOÄ gibt es nur die Beschränkung "einmal im Behandlungsfall".
Definition Behandlungsfall (§ 21 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä))
- Behandlung desselben Versicherten
- durch dieselbe Arztpraxis
- in einem Kalendervierteljahr
- zu Lasten derselben Krankenkasse.
Übersetzt sind das die Patienten, die die Praxis im Quartal behandelt. Dabei kann die Praxis eine Einzelpraxis, eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder eine andere Versorgungsform sein. Wie häufig und mit wie vielen unterschiedlichen Erkrankungen der Patient in der Praxis war, ist dabei irrelevant. Er ist immer ein Behandlungsfall (s. Abb.).
Definition Arztfall (nach § 21 Abs. 1b BMV-Ä)
- die Behandlung desselben Versicherten
- durch denselben an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt
- in einem Kalendervierteljahr
- zulasten derselben Krankenkasse
- unabhängig von der Betriebs- oder Nebenbetriebsstätte.
Übersetzt ist das die Zahl der Patienten, die der Arzt im Quartal behandelt. Hier wird in Bezug auf den jeweiligen Arzt gezählt. Wie häufig und mit wie vielen unterschiedlichen Erkrankungen der Patient Kontakt zum Arzt hat, ist dabei unerheblich. Geht der Patient im Quartal dreimal zum Arzt oder nur einmal, es ist immer ein Arztfall.
In Einzelpraxen ist der Arztfall gleichbedeutend mit dem Behandlungsfall. Hier ist der Behandlungsfall auch immer der Arztfall. In Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren [MVZ]) und Praxen mit angestellten Ärzten ist der Begriff „Arztfall“ jedoch von Relevanz.
Dort behandeln möglicherweise mehrere Ärzte einen Patienten. Der Patient ist der Behandlungsfall. Behandeln ihn 2 Ärzte ,sind das 2 Arztfälle (Abb. 1). Aus dieser Tatsache wird verständlich, warum eine BAG mehr Arztfälle (z. B. 2.885) als Behandlungsfälle (z. B. 2518) haben kann – einige Patienten werden durch mehrere Ärzte behandelt.
Diese Unterscheidung ist z. B. bei der Berechnung des Laborwirtschaftlichkeitsbonus von Bedeutung (bei arztgruppenübergreifender Behandlung i. BAG), aber auch bei Abrechnungsausschlüssen. Hier gibt es Fälle, bei denen der Arzt, der die Versichertenpauschale abrechnet eine bestimmte Ziffer nicht abrechnen kann, während dies bei einem anderen Arzt der Praxis möglich ist, z. B. die EBM-Ziffer 01435.
Die GOÄ definiert den Behandlungsfall so: Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes. Damit unterscheidet sich der Behandlungsfall in der GOÄ deutlich von dem im EBM.
- Jede einzelne Diagnose/Erkrankung/ V.a. … oder Z.n…. erzeugt einen Behandlungsfall. Somit können, anders als im EBM, mehrere Behandlungsfälle nebeneinander bestehen. Hat der Patient 2, 3 oder mehr Diagnosen, entstehen 2, 3 oder mehr Behandlungsfälle (Abb. 1).
- Der Behandlungsfall endet, wenn der Monat gewechselt hat und der Tag „eins mehr“ geworden ist. Als Beispiel: Kommt der Patient mit der Diagnose Rheuma am 16.01., endet der Behandlungsfall am 16.02., am 17.02. beginnt der neue Behandlungsfall Rheuma (s. Abb.).
Hinweis! Manche Praxisprogramme erzeugen immer wieder die Meldung: „Nr. 1 nur einmal pro Rechnung“ oder „ Nr. 1 nur einmal im Monat“ etc. Diese Hinweise muss man kritisch bewerten. Es kann durchaus sein, dass die GOÄ-Ziffer 1 formal korrekt mehrfach auf der Rechnung sein darf, da sie sich auf mehrere Diagnosen in dem abgerechneten Zeitraum bezieht.
Definition
- umfasst das aktuelle sowie die drei nachfolgenden Kalendervierteljahre
- die der Berechnung der krankheitsfallbezogenen Gebührenordnungsposition folgen
Das bedeutet, wird eine Leistung mit der Einschränkung „einmal im Krankheitsfall“ z. B. am 15. April 2020 abgerechnet, ist das 2. Quartal 2020 das aktuelle Quartal. Die drei nachfolgenden Quartale sind dann Q3 und Q4 2020 sowie Q1 2021. Damit darf diese Leistung frühestens wieder am 01.04.2021 abgerechnet werden.
Wichtig ist diese Definition für Praxen mit mehreren Betriebsstätten. In diesem Fall kann die Praxis Leistungen, die auf den Betriebsstättenfall beschränkt sind, mehrfach abrechnen.
Er ist definiert als
- Behandlung desselben Versicherten
- in einem Kalendervierteljahr
- durch einen oder mehrere Ärzte derselben Betriebsstätte oder derselben Nebenbetriebsstätte
- zu Lasten derselben Krankenkasse
- unabhängig vom behandelnden Arzt
Übersetzt ist das der Patient den die Praxis (egal durch welchen Arzt) an einer Betriebsstätte versorgt. Behandeln z. B. ein Allgemeinmediziner, ein Urologe und ein Chirurg den Patienten an der Betriebsstätte der Praxis, ist dieser Patient ein Betriebstättenfall. Wird der Patient dann in einer anderen Betriebsstätte der Praxis versorgt, verursacht er dort einen neuen Betriebsstättenfall. Somit kann ein Patient mehrere Betriebsstättenfälle verursachen.
CAVE:
- Wird er dort vom selben Arzt behandelt, entsteht aber kein neuer Arztfall, denn dieser ist definiert als „die Behandlung desselben Versicherten […] unabhängig von der Betriebs- oder Nebenbetriebsstätte
- Der Patient bleibt ein Behandlungsfall, der definiert ist als die Behandlung desselben Versicherten durch dieselbe Arztpraxis. Auch eine Praxis mit mehreren Betriebsstätten gilt im EBM als eine Arztpraxis.
Für die Einzelpraxis hat der Betriebstättenfall keine Bedeutung. Diese hat nur eine Betriebsstätte und damit sind der Behandlungsfall und der Betriebsstättenfall faktisch identisch.
Der Arztgruppenfall ist eine neue Falldefinition, die im Zuge des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) eingeführt wurde. Bei den Leistungen auf Basis des TSVG sind nicht der Behandlungs- Arzt- oder Krankheitsfall die Bezugsgröße, sondern der Arztguppenfall.
Definition
- umfasst die Behandlung desselben Versicherten
- durch dieselbe Arztgruppe einer Arztpraxis
- in demselben Kalendervierteljahr
- unabhängig von der Betriebsstätte
- zu Lasten derselben Krankenkasse
Zu einer Arztgruppe gehören die in der Präambel des jeweiligen EBM-Kapitels genannten Fachrichtungen, z. B. im Kapitel 9 (Hals-Nasen-Ohrenärztliche Gebührenordnungspositionen) die Fachärzte für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
Die in den Präambeln der Unterabschnitte des Kapitels 13 (Fachärztliche Innere Medizin) genannten Fachärzte mit Schwerpunktbezeichnungen sind jeweils eine eigenständige Arztgruppe. Somit umfasst das Kapitel 13 insgesamt 9 Arztgruppen.
Konkret bedeutet die neue Falldefinition
- Sie ist nur für kooperierenden Ärzte z. B. in Berufsausübungsgemeinschaften oder Medizinischen Versorgungszentren relevant..
- Hat eine Leistung die Einschränkung „einmal im Arztgruppenfall“, darf diese Ziffer in einer Praxis mit z. B. drei Hausärzten nur einmal abgerechnet werden, selbst wenn der Patient von allen Ärzten behandelt wurde.
- Kooperieren in der Praxis mehrere Arztgruppen z. B. ein Hausarzt und ein Kardiologe kann nur die Arztgruppe den Fall extrabudgetär abrechnen, die die vorliegende TSVG-Konstellation betreut hat. Behandelt z. B. der Kardiologe den Patienten in der offenen Sprechstunde ist die Behandlung dieses Patienten beim Kardiologen extrabudgetär. Behandelt auch der Hausarzt diesen Patienten, fällt dieser Fall in das Budget. Wird dem Hausarzt dann im gleichen Quartal ein TSS-Fall vermittelt, rechnet der Hausarzt den Fall jetzt auch extrabudgetär ab. Die Einschränkung "einmal im Arztgruppenfall" bezieht sich auf die jeweilige Leistung und im Beispiel liegen jetzt zwei unterschiedliche TSVG-Konstellation bei verschiedenen Fachgruppen vor: Offene Sprechstunde (Kardiologe), TSS-Fall (Hausarzt).
Wir verwenden den Begriff Praxis als Überbegriff für Einzelpraxen, Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren.
Diese Falldefinitionen Arztfall, Krankheitsfall, Betriebsstättenfall und Arztgruppenfall gibt es nur im EBM - in der GOÄ existieren sie so nicht.