Angesichts der Corona-Welle in China wollen Österreich und Belgien das Abwasser von allen Flügen aus dem fernöstlichen Land auf neue Coronavirusvarianten untersuchen lassen. Die Analyse von Abwässern gilt als wichtiges Instrument in der Überwachung des Infektionsgeschehens. So hat die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten aufgerufen, Strukturen zu etablieren, die eine langfristige Überwachung von SARS-CoV-2 und seinen Varianten im Abwasser ermöglichen. Auch die Bioscientia ist maßgeblich am Abwassermonitoring im Bundesland Rheinland-Pfalz beteiligt.
Inzidenz kein alleiniger Maßstab mehr
Seit Oktober analysiert das Zentrallabor in Ingelheim Wasserproben aus 15 rheinland-pfälzischen Kläranlagen auf genetisches Material von SARS-CoV-2-Viren und bestimmt die Höhe der Virenlast. Die Messdaten werden wöchentlich auf einer Webseite des Landesuntersuchungsamts (LUA) veröffentlicht. Das Abwassermonitoring ist „Teil eines Frühwarnsystems“, um mit einer soliden Datenbasis „zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können“, erklärte das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit zum Projektstart. Die klassische Inzidenz als alleiniger Maßstab für die Infektionslage im Land habe ausgedient. Es brauche weitere Faktoren, um die Lage gewissenhaft beurteilen zu können.
Kostenersparnis und Laborentlastung
Bioscientia-Geschäftsführer Dr. Oliver Harzer wies in einem Interview mit dem SAT.1-Regionalfernsehen auch auf Kostenaspekte hin. Gesundheitsökonomisch mache es einen großen Unterschied, ob das Labor zweimal in der Woche 15 Klärproben bearbeite – oder täglich Tausende Patientenproben. Die Untersuchung von Abwasser könnten zwar das Testen nicht gänzlich ersetzen, aber möglicherweise anlasslose Tests überflüssig machen. Harzer weiter: „Wir hoffen, dass wir über solche Entwicklungen irgendwann mal sagen können: In einer Region wird es jetzt doch deutlich stärker, vielleicht müsste man da doch ein paar mehr Maßnahmen treffen.“
Drogenkonsum und Gesundheitszustände
Abwasseruntersuchungen wurden im Zusammenhang mit Drogen-Screenings und der Polio-Erkrankung entwickelt. „Andere Anwendungen betreffen Biomarker für bestimmte Gesundheitszustände“, schreibt der Chemiker Prof. Torsten Arndt vom Bioscientia MVZ Ingelheim im „Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik“: „So wurden zum Beispiel erhöhte Konzentrationen von Isoprostanen im Abwasser als ein Frühwarnsystem für einen erhöhten oxidativen Stress regionaler Bevölkerungen inauguriert.“ Dass Abwassermonitoring auch für das Corona-Infektionsgeschehen „schnelle und präzise Ergebnisse“ liefern kann, zeigt eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, MedUni Wien und Universität Innsbruck.