In Deutschland wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bisher 13 Fälle von Sinus- oder Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit ChAdOx1-S gemeldet. Zusätzlich war eine Thrombozytopenie aufgetreten. Es handelt sich um einen Mann und zwölf Frauen, die zwischen 20 und 63 Jahre alt waren. Die Thrombosen traten 4-16 Tage nach der Impfung auf.
Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) hat Informationen zum Umgang mit potentiellen thromboembolischen Erkrankungen nach Impfung mit dem AstraZeneca Impfstoff veröffentlicht. Stand der Informationen ist der 24.03.2021. Auf dieser Basis haben wir die nachfolgenden Fragen und Antworten für unsere Einsender zusammengestellt.
Welche Symptome sollten Verdacht erregen?
Zu erwarten sind nach der Impfung 1-2 Tage typische Symptome einer Impfreaktion: Kopfschmerzen sowie Schmerzen in Muskeln und Gelenken und ein allgemeines Müdigkeits- und Krankheitsgefühl.
Verdächtig sind Symptome, die später als drei Tage nach der Impfung auftreten. Insbesondere starke und lang anhaltende Kopfschmerzen, jedoch auch neurologische Symptome wie Schwindel, Sehstörungen, Übelkeit oder Ausfälle von Sensibilität und Motorik. Auch auf allgemein Anzeichen von Thromboembolien wie Luftnot, Brustschmerzen oder plötzliche Schmerzen in Extremitäten und Abdomen sollte weiterhin geachtet werden.
Die Thrombozytopenie kann sich durch punktförmige Hautblutungen bemerkbar machen.
Welche Laborwerte sollten bestimmt werden?
Empfohlen wird die Bestimmung eines Blutbildes mit mikroskopischer Differenzierung (Blutausstrich) sowie der D-Dimere.
Sollte bei Erstvorstellung bereits eine Thrombose bestehen, soll direkt ein Screeningtest auf HIT erfolgen. Hierzu werden Antikörper gegen Heparin-PF4-Komplexe bestimmt.
Außerdem sollten diese Antikörper bei Patienten mit neu aufgetretener Thrombozytopenie bestimmt werden.
Ein negativer Antikörpertest schließt laut GTH eine HIT-vermittelte Erkrankung aus.
Fällt der Antikörpertest positiv aus, sollte das Ergebnis mit einer Heparin-induzierten Thrombozytenaggregationsmessung (HIPA) bestätigt werden. Hierfür schicken wir die Proben direkt in das Thrombozytenlabor von Prof. Greinacher. Aufgrund des Probenversandes ist mit einem Ergebnis nicht vor Ablauf von zwei Tagen zu rechnen.
Wie wird meine Probe schnellstmöglich bearbeitet?
Um die Diagnostik auf HIT-Antikörper zu beschleunigen, können Sie ein extra Serumröhrchen als separaten Auftrag mit eigenem Barcode einschicken.
Was ist die Ursache der Sinusvenenthrombosen?
Von der Arbeitsgruppe um Prof. Greinacher an der Universität Greifswald wurde eine HIT-ähnliche Pathophysiologie als Grund ermittelt. Diese basiert auf einem Autoimmunphänomen und kann daher auch ohne vorherige Heparinexposition auftreten. Das bedeutet, dass auch bei Patienten, die bisher nie mit Heparin behandelt wurden, ein potentielles Risiko besteht.
Ist die Impfung auch mit anderen thromboembolischen Erkrankungen assoziiert?
Aktuell wird davon ausgegangen, dass Beinvenenthrombosen und Lungenembolien bei Geimpften nicht häufiger auftreten als in der Allgemeinbevölkerung.
Spielen bekannte Thrombophilien eine Rolle? Sind Patienten mit vorbekannter Thrombose besonders gefährdet?
Der Mechanismus der Impfkomplikation wurde als autoimmuner Mechanismus beschrieben. Daher scheint es aktuell kein erhöhtes Risiko für Sinusthrombosen zu geben, wenn bei Patienten Thrombophilien oder Thromboembolien in der Vorgeschichte bekannt sein.
Wann sollte eine Bildgebung stattfinden?
Die Stellungnahme ist hier leider etwas vage. Sicher kann man sagen, dass spätestens beim positiven Antikörpernachweis bzw. einem positiven HIPA-Test sowie passender Symptomatik die Bildgebung zügig stattfinden muss.
Je nach individueller Situation kann bei eindeutigem Beschwerdebild und Thrombozytopenie im Blutbild jedoch auch schon eine Bildgebung indiziert sein.
Entscheidend ist die Einschätzung des Risikos durch den behandelnden Arzt.
Wie kann behandelt werden?
Bei Verdacht auf (autoimmune) HIT muss auf jegliche Heparingabe verzichtet werden. Die Stellungnahme der GTH empfiehlt, auf alternative, HIT-kompatible Präparate auszuweichen.
Konkrete Präparate werden hier leider nicht genannt. Insbesondere zur Gabe von Präparaten, die bei klassischer HIT gern oral (DOAK) oder subkutan (Fondaparinux, LMWH) verabreicht werden, gibt es noch keine Erkenntnisse. Jeglicher Einsatz dieser Medikamente erfolgt zudem off-label ohne Zulassung zur HIT-Behandlung.
Erwähnt wird zudem die Gabe von Iv-Immunglobulin, um den Pathomechanismus der Autoimmunerkrankung zu durchbrechen. Sollte zudem durch eine Modifikation der HIPA die Vakzin-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT) nachgewiesen worden sein, können Heparine sicher eingesetzt werden.
Zur Behandlung der bisher bekannten Fälle gibt es aktuell keine veröffentlichten Informationen.
Welche Differentialdiagnosen sollten bedacht werden?
Aufgelistet werden insbesondere Lupus Antikoagulans, PNH, maligne (hämatologische) Grunderkrankungen sowie thrombotische Mikroangiopathien wie TTP und HUS.
Es wird sicher nicht nötig sein, in jedem Verdachtsfall alle Differentialdiagnosen auszuschließen. Hier sollte für jeden Fall individuell vorgegangen werden.
Bei passender Symptomatik und Laborkonstellation kann jedoch die Analytik auf all diese Differentialdiagnosen bei Bioscientia erfolgen.
Quelle: Ges. f. Thrombose- und Hämostaseforschung