Gemäß der Corona-Surveillanceverordnung des Bundesgesundheitsministeriums sequenzieren wir in unserem Ingelheimer Labor ab sofort SARS-CoV-2-positive PCR-Proben aus unserem Unternehmensverbund und damit aus dem gesamten Bundesgebiet. Die dafür eingesetzte NGS-Technologie ("Next Generation Sequencing") ermöglicht die vollständige Sequenzierung von zunächst rund 1.500 Proben wöchentlich. Erfasst werden dabei alle Mutationen von SARS-CoV-2, wobei das momentane Interesse des RKI vor allem auf die britische und südafrikanische Variante gerichtet ist.
Die Bioscientia gehört zu den wenigen Laboren, in denen die wichtigen Bedingungen für rasche und effiziente Mutationsanalysen im Sinne der Vollgenomsequenzierung zusammenkommen: Erstens direkter Zugang zu einer regelmäßig hohen Zahl von positiven PCR-Proben aus der gesamten medizinischen Infrastruktur des Bundesgebietes (Krankenhäuser, niedergelassener Bereich, Betriebsmedizin und öffentlicher Gesundheitsdienst); zweitens vollumfänglich ausgestattete Abteilungen für Genetik und Molekulargenetik, zu denen auch eine Gruppe von Bioinformatikern gehören, welche die Daten aus den Hochleistungssequenziergeräten bearbeiten und auswerten können. Weiterhin ist durch ein bestehendes und gut funktionierendes Logistik- und Befundübermittlungssystem eine reibungslose und komplette Abbildung im Versorgungsprozess möglich. Die erzeugten Daten werden dann, wie in der Verordnung gefordert, direkt an das RKI übertragen und stehen damit auch den wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung.
Zu Beginn werden in Ingelheim positive Proben aus dem Sonic Healthcare-Verbund in Deutschland getestet, deren Labore rund 20 Prozent der deutschen PCR-Nachweise von SARS-CoV-2 durchführen.
Bioscientia startet die SARS-CoV-2 Virussequenzierung
Dr. Hendrik Borucki
Mittwoch, 20 Januar 2021
Einige Fragen und Antworten haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Aus der Testverordnung, die seit 19.1. in Kraft ist, folgt für uns dies:
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Vollgenom-Sequenzanalyse ("whole-genome sequencing") von 5 Prozent der SARS-CoV-2-positiven PCR-Proben aus unserem Laborverbund (Sonic Healthcare), der etwa 20 % der deutschen Corona PCR-Diagnostik durchführt. Siehe auch Frage 3.
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Sequenzierung auch auf schriftliche Anordnung der entsprechenden Landesgesundheitsbehörden in lokalen Ausbruchssituationen (vgl. CorSurV § 2 (1)).
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Elektronische Meldung der vollständigen Sequenzen ans RKI nach dessen Vorgaben zu Alter, Geschlecht und Wohnregion der Getesteten. Von dort ggf. Weiterleitung an wissenschaftliche Datenbanken.
Im ersten Schritt der PCR-Untersuchung wird der Tupfer mit dem Abstrichmaterial in eine Puffer-Flüssigkeit gegeben, aus der die Schleimhaut-Zellen plus Viren (falls vorhanden) ausgewaschen werden. Aus dieser Lösung mit inaktivierten Viren entnehmen wir auch die Probe für unsere Sequenzierung, falls die Probe ein positives Testergebnis mit einem Ct-Wert zwischen 18 und 22 hat und als eine der 5% zu untersuchenden Proben herausgesucht wird.
Grundsätzlich werden die Proben so herausgesucht, dass eine möglichst breite Abdeckung des Bundesgebietes dabei entsteht. Es geht bei dieser Maßnahme darum, einen epidemiologischen Überblick zu erhalten (Surveillance). Die Vorgaben zur Stichprobennahme wurden vom RKI in einer Handlungsanleitung spezifiziert.
Sofern von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde schriftlich angeordnet, können uns auch Proben zur Sequenzierung im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen zugewiesen werden.
Für Labore, die zwar die PCR selbst durchführen, aber keine Sequenzierungen, sind diese Infos wichtig:
- Die Sequenzierung ist nur möglich, wenn ein positiver SARS-CoV-2-PCR-Test vorliegt und ein Ct-Wert ≤ 25 (optimalerweise 18-22) bestimmt wurde.
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Senden Sie bitte eine inaktivierte Probe (z. B. durch 1:1 Verdünnung mit 6- bis 7-molarer Guanidin-HCl-Lösung), keine Eluate, keine RNA-Isolate.
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Wir benötigen mindestens 500µl Probenvolumen.
Folgende Angaben sind essentiell:
- der gemessene Ct-Wert,
- die verwendete PCR-Methode (ROCHE, ThermoFisher, TIBMolBiol, etc.),
- die DEMIS-Nr. Ihres Labors, das die PCR durchgeführt hat,
- Abstrichdatum und vollständige Patientendaten (Name, Vorname, Geb.-Datum, Adresse).
Wir sequenzieren die Virus-RNA, nachdem sie in eine entsprechende DNA umgeschrieben wurde („reverse Transkription“), genau wie beim PCR-Nachweis. Dieses virale Nukleinsäure-Molekül wird nun in mehreren Schritten aufbereitet für eine automatische Sequenzierung nach dem „sequencing by synthesis“ genannten Verfahren. Am Ende liegt die Information über die genaue Abfolge der Basenpaare in jeder einzelnen Patientenprobe vor und kann mit der Referenz-Sequenz aus Datenbanken abgeglichen werden. Es sind somit nicht nur die britische und südafrikanische Variante erkennbar, sondern sämtliche Mutationen, die bedeutsam sind oder vielleicht noch bedeutsam werden.
Nach der Sequenzierung werden die Daten bioinformatisch ausgewertet. Dazu gehört auch, dass die in Patientenproben gefundenen Sequenzen der Virus-RNA abgeglichen werden mit einer entsprechenden Datenbank. Dort ist als „Wildtyp“ die im Januar 2020 sequenzierte Variante des SARS-CoV-2 hinterlegt, alle bislang gefundenen Mutanten sind charakterisiert. Wir erkennen die britische (B.1.1.7.) und südafrikanische Mutation (501Y.V2) und alle weiteren, die künftig charakterisiert werden.
Wir verwenden die NGS-Technologie („Next Generation Sequencing“). Der Prozess auf der Sequenzierplattform dauert knapp 30 Stunden. Danach folgen Auswertung und Datenübermittlung durch die Bioinformatiker mit rund 2 Stunden für alle Ergebnisse aus dem jeweiligen Lauf. Am längsten dauert es, die geeigneten und ausgewählten Proben für den Vollautomaten vorzubereiten. Vorerst gehen wir von einer Kapazität von gut 1.500 Ergebnisse pro Woche aus, die dann an das RKI berichtet werden. Durch die Einbeziehung eines anderen, noch leistungsfähigeren Sequenzers, lässt sich das Probenvolumen aber auch kurzfristig noch deutlich steigern. Wir bereiten uns hierauf bereits vor, so dass auch eine weitere Erhöhung der wöchentlichen Probenmenge ohne Verzögerung möglich wird.
Wir verfügen über mehrere Geräte unterschiedlicher Größe. Bei optimaler Belegung liefern wir unter der aktuell angedachten Arbeitsweise mindestens 1.500 Sequenzen pro Woche ans RKI und verfügen zugleich über Ausfallsicherheit und personelles und apparatives Potenzial, diese Menge zu steigern.
Anhand der Sequenzierung allein ist die klinische Bedeutung einer Mutation nicht zu erkennen. Hierfür braucht es entsprechende klinische Daten. Die molekulargenetische Surveillance des RKI soll darstellen, welche Virusmutationen wie häufig in welchen Regionen verbreitet sind.
Ja, indem man gezielt nach definierten Mutationen mit der PCR sucht. Diese Methode ist schneller und wird sogar häufiger eingesetzt als die Mutationsanalyse per NGS (vgl. Frage 4.). Nachteil: Es werden ausschließlich die Mutationen gefunden, die bereits bekannt sind und nach denen gezielt gesucht wurde. Der epidemiologische Blick auf die Ausbreitung sämtlicher SARS-CoV-2-Mutationen ist ebenso wie die eindeutige Stamm-Zuordnung nur mit der Vollsequenzierung möglich.